20.05.2020
ID: 2945

Punktgenauer Schwedenhappen

Automatisiertes Elektrodenfräsen bei Schweißzangen in der Automobilindustrie

Wie das Punktschweißen immer schneller und sicherer wird, zeigt eine kundenspezifische Lösung bei Volvo in Schweden, dem diesjährigen Partnerland der Hannover Messe. Die Zutaten zu diesem Schwedenhappen: elektrische Antriebstechnik und Vision-Kameras von Festo, angebunden an die Automatisierungsplattform CPX. Das bedeutet: mehr Sicherheit für die Blechteile einer Volvo-Karosserie, aber auch für die Anlagenbediener.

Versteckt in einer Bilderbuchlandschaft zwischen Seen und Wäldern liegt die südschwedische Kleinstadt Olofström – rund zwei Stunden entfernt vom internationalen Luftverkehrsdrehkreuz Kopenhagen. Hier abseits der industriellen Zentren Stockholm, Göteborg und Malmö liegt das bedeutendste Karosseriewerk der Volvo-Gruppe. Täglich fahren fünf Züge mit 280 Containern voller Karosserieteile von Olofström in die Volvo-Montagewerke nach Göteborg und ins belgische Gent, wo sie zu kompletten Karosserien zusammengefügt werden. Das entspricht einer Menge von rund 50 Millionen Karosseriekomponenten jährlich.

 

Kompetenz im Punktschweißen

„Das meiste, was man an einem Volvo sieht, kommt aus Olofström“, erklärt Leif Winberg, Anlageningenieur für Widerstandsschweißen im Volvo-Werk Olofström. Dazu gehören tragende Karosserieteile wie die A-, B- oder C-Säule, die Stoßfängerverstärkung, die vorderen Seitenträger, Seitenaufprallträger, Querträger oder Dachbogen und Dachschiene, aber auch Türen und Rahmen.

 

Alle in unterschiedlichen Ausprägungen für Fahrzeugmodelle vom Kompaktwagen V40 über die Limousinen S60 bis hin zum großen SUV unter dem Kürzel XC90. Eine sprichwörtlich tragende Rolle spielt im Karosseriebau das Widerstandsschweißen, tragen doch korrekt verschweißte Blechteile zur passiven Sicherheit eines Automobils bei.

 

Große Produktivitätspotenziale liegen während des Schweißprozesses beim Elektrodenfräsen. Die Elektroden einer Schweißzange werden beim Setzen eines Schweißpunktes immer stumpfer und müssen daher nach rund 150 Schweißpunkten gefräst werden, um wieder präzise Schweißpunkte setzen zu können. „Das Elektrodenfräsen funktioniert nach demselben Prinzip wie das Anspitzen eines stumpfen Bleistifts“, erläutert Schweißexperte Winberg.

 

Gemeinsame Entwicklung

„Wir haben in den letzten Jahren Lösungen gefunden, mit denen wir die Zykluszeiten des Elektrodenfräsens um weit mehr als die Hälfte reduzieren konnten“, so Winberg weiter. „Auch das Thema Sicherheit kommt hier nicht zu kurz, denn die Anlagenbediener müssen die Roboterzellen nach dem Fräsen nicht mehr betreten, um die Elektroden auf die richtige Position des Schweißpunktes einzustellen“, ergänzt Leif Lindahl, ehemaliger Business Development Manager Automotive bei Festo Schweden.

 

Für statische Schweißzangenanlagen entwickelte Festo kundenspezifisch nach den Vorgaben von Volvo und ABB einen Schwingarm, der das Elektrodenfräsgerät, den so genannten Tip Dresser, nach 150 gesetzten Schweißpunkten den Elektroden zuführt. Der Schwingarm arbeitet mit präzise positionierenden Elektrozylindern vom Typ DNCE. Der Elektrozylinder ist dank frei programmierbarer Positionen flexibel beweglich und beschleunigt sanft. Das von Festo einbaufertig gelieferte elektrische Komplettpaket umfasst den EMMS Schrittmotor sowie den Motorcontroller CMMS. Die Motorcontroller sind mit der Automatisierungsplattform CPX sicher im Schaltschrank integriert. Via Profinet kommuniziert die CPX mit den Motorcontrollern und mit dem übergeordneten Steuerungssystem der Roboteranlage.

 

Elektrodenfräsen kameragesteuert

Für die Schweißzangen an den ABB-Knickarmrobotern sind bewegliche Tip Dresser nicht notwendig. Die Roboter können ihre Elektroden nach 150 Schweißpunkten selbstständig dem Elektrodenfräsgerät zuführen. Diese Bewegungsfreiheit der Schweißzangen eröffnet ganz neue Horizonte. In einem ersten Schritt führt der Knickarmroboter die Schweißzange dem Tip Dresser zu. Dieser bearbeitet die Elektroden. Im nächsten Schritt schwingt der Roboter seine Elektroden vor das Objektiv der SBO…-Q Qualitätskamera von Festo.

 

„Die Kamera erstellt ein Foto und liefert dabei dem Robotersystem alle notwendigen Daten, um die Elektroden wieder an die richtige Position zum Schweißen der nächsten Bleche zu bringen“, so Winberg. „Sie ist außerdem unkompliziert in der Integration und via Parametrierung einfach in Betrieb zu nehmen.“ Nicht nur das Sensorsystem zur Erfassung der Bilddaten, sondern auch die komplette Auswerteelektronik sowie die Schnittstellen (Ethernet/CAN) zur Kommunikation mit übergeordneten Steuerungen (SPS) sind bereits ins System integriert. Das Kamerasystem selbst versteckt sich in einem Gehäuse, das gerade einmal die Größe einer 1-Liter-Milchverpackung hat.

 

Zykluszeiten nur noch ein Viertel

Das Foto liefert in Sekundenbruchteilen Daten über die Ausrichtung der Kontaktoberfläche, Länge und Winkel der Elektrode sowie den Ansatzpunkt am Blech. Diese Daten sendet die Kamera an die Robotersteuerung weiter, die den Roboter für die nächsten Schweißpunkte neu justiert. „So konnten wir die Zykluszeiten des Elektrofräsens von 35 Sekunden auf gerade einmal neun Sekunden reduzieren“, schwärmt Winberg vom neuen System. „Damit erreichen wir fast die Zykluszeit eines Bearbeitungsdrehtisches von sechs Sekunden.“ Bei 300 Schweißrobotern, die in Olofström im Einsatz sind, entsteht dadurch ein weiterer Meilenstein auf der Jagd nach kürzeren Zykluszeiten und damit höherer Produktivität.

Festo ist gleichzeitig Global Player und unabhängiges Familienunternehmen mit Sitz in Esslingen am Neckar. In der industriellen Automatisierungstechnik und technischen Bildung setzt Festo seit seinen Anfängen Maßstäbe und leistet damit einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Unternehmen liefert pneumatische und elektrische Automatisierungstechnik für 300.000 Kunden der Fabrik- und Prozessautomatisierung in über 35 Branchen. Wachsende Bedeutung erhalten Bereiche wie Digitalisierung, KI sowie LifeTech mit Medizintechnik- und Laborautomation. Produkte und Services sind in 176 Ländern der Erde erhältlich. Weltweit rund 20.800 Mitarbeitende in rund 60 Ländern mit über 250 Niederlassungen erwirtschafteten 2022 einen Umsatz von ca. 3,81 Mrd. €. Davon werden jährlich rund 7 % in Forschung und Entwicklung investiert. Im Lernunternehmen beträgt der Anteil der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen 1,5 % vom Umsatz. Festo Didactic SE ist führender Anbieter in technischer Aus- und Weiterbildung und bietet seinen Kunden weltweit umfassende digitale und physische Lernlösungen im industriellen Umfeld an.

© Festo SE & Co. KG
Welding process
Schneller und sicherer: Volvo arbeitet permanent an der Verbesserung der Schweißprozesse.
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Tip Dresser
Tip Dresser für Knickarmroboter: rechts die beiden Löcher zum Elektrodenfräsen, links im kompakten Gehäuse versteckt die Qualitätskamera, die die Daten für die Neupositionierung der Elektroden liefert.
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Static welding equipment
Für statische Schweißzangenanlagen: ein schneller und präziser Schwingarm, der das Elektrodenfräsgerät, den so genannten Tip Dresser, nach 150 gesetzten Schweißpunkten den Elektroden zuführt.
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Leif Winberg – Volvo - and Leif Lindahl - Festo
Am kameragesteuerten Elektrodenfräsgerät: Leif Winberg, Anlageningenieur für Widerstandsschweißen bei Volvo in Olofström (links), und Leif Lindahl, ehemaliger Business Development Manager Automotive bei Festo Schweden.
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Robots
Zeitgewinn: Wo viele Schweißroboter im Einsatz sind, verkürzen die neuen Tip Dresse die Taktzeiten erheblich.
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Body parts volvo
Sauber verschweißt: Volvo Karosserieteile.

Globale Kontaktperson

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